Schwester Joann Nakamura Chiyono

Ich, Schwester Joann Nakamura Chiyono, komme aus Sannmi, Hagi Stadt, Yamaguchi. Sannmi ist ein Ort der Landwirtschaft und des Fischfangs mit einer wunderschönen Landschaft, die sowohl Berge als auch das Meer umfasst. Jetzt lebt meine 86-jährige Schwester dort allein.

Ich wurde im Jahr 1942 geboren, mitten im Zweiten Weltkrieg, kann mich aber an keine schmerzhaften und traurigen Gefühle erinnern. Mein Vater wurde im Alter von 31 Jahren im Krieg getötet. Hätte es keinen Krieg gegeben, hätte ich ein Leben mit meinen Eltern und Großeltern geführt, wie es jede Familie getan hätte. Das dunkle Gefühl, diese Dinge nicht erleben zu können, wird immer in meinem Herzen bleiben.

Auch jetzt herrscht hier und da in der Welt noch Krieg. Die Tageszeitungen berichten von schweren Schäden in vielen Städten, und ich kann nur beten, dass bald ein Tag des Friedens und der Ruhe kommt.

Als ich in die Highschool kam, besuchte ich drei Jahre lang eine Schule, die von den Schwestern geleitet wurde. Ich habe die Ausbildung und die Hingabe der Schwestern für ihre Schüler gesehen.

Nach dem Abschluss besuchte ich zwei Jahre lang eine Schneiderschule in Hagi und arbeitete als Büroassistentin für das Taxiunternehmen meines Verwandten in Tokio. Danach arbeitete ich im Kobe Boys‘ Town Nursing Home, das von einem Priester gegründet worden war, und wurde unter der Anleitung des Priesters, mit dem ich arbeitete, getauft. Mein Taufname war Johanna, nach der heiligen Jeanne d’Arc. Ich war von Dankbarkeit erfüllt.

Da ich wusste, dass Ausbildungen für meine Zukunft erforderlich sein würden, erwarb ich unter großen Schwierigkeiten eine Qualifikation als Kindermädchen und arbeitete zwei Jahre lang im Don-Bosco-Kindergarten, der von der Kongregation der Caritas-Schwestern Jesu geleitet wurde. Nach einiger Zeit stellte mein Freund mich unserer Kongregation vor; ich besuchte sie und nahm an dem Berufungstreffen teil. Damals gab es eine Altersgrenze, und ich war 31 Jahre alt, also glaube ich, dass ich schon früh die Erlaubnis erhielt, einzutreten. Ich glaube, dass die Begegnung mit den Schwestern in der Highschool, meine Bewunderung für sie und ihre aufrichtigen Gebete mich zum Ordensleben geführt haben.

Die Religion meiner Familie der Buddhismus. Ich bin die einzige Katholikin. Ich trat am 2. Februar 1972 in die Kongregation ein und legte am 1. September 1974 meine ersten Gelübde und am 1. Oktober 1979 meine ewigen Gelübde ab. In diesem Jahr werde ich mein 50-jähriges Professjubiläum (Goldenes Jubiläum) feiern.

Nach meinem Eintritt in unsere Gemeinschaft war mein Apostolat das Nähen von Gewändern und die Mithilfe bei der Wäsche. 18 Jahre lang arbeitete ich unter anderem als Kindermädchen im Osterdorf für Kinder mit besonderen Herausforderungen (1999 in die Diözese Saitama verlegt), half bei der Desinfektion in der zentralen Materialkammer im St. Mary’s Hospital in Himeji, half beim Baden und am Empfang in Maria Villa. Seit 7 Jahren bin ich nun für die Kapelle im St. Mary’s Hospital zuständig.

Sehr gerne erinnere ich mich an die Pilgerreise ins Heilige Land und nach Assisi sowie an den Besuch im Generalat in Deutschland anlässlich des 25-jährigen Jubiläums meiner Gelübde. Das Generalat in Deutschland war groß, schön und ruhig, und ich war beeindruckt von den Schwestern im Gebet. Ich vermisse immer noch die warmen Herzen der Schwestern mit ihrer Freundlichkeit und ihrem Lächeln.

Schwester M. Sophia Pulliyadan

1963 wurde ich im Bezirk Ernakulum, Kerala, als zweite Tochter meiner Eltern geboren. Wir sind fünf Geschwister, vier Schwestern und ein Bruder. Eine Schwester und ihre Familie leben in Großbritannien, die anderen leben in Kerala. Ich habe meinen Vater im April 2023 verloren und meine Mutter lebt zu Hause bei meinem Bruder. Ich hatte einen liebevollen Großvater, mit dem ich 18 Jahre zusammenleben durfte.

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen; meine Familie verdiente ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Reis, Gemüse, Bananen, Gewürzen, Kokosnüssen und ähnlichem. Meine Eltern waren sehr fleißig und meine Geschwister und ich halfen ihnen.

Bis zur fünften Klasse besuchte ich eine Klosterschule bei den Franziskanerinnen. Ich war sehr beeindruckt von ihrer Lebensweise. Von da an hatte ich den Wunsch, eine Ordensfrau zu werden. Während meiner Zeit in der Oberstufe nahm ich einige Male an Freizeiten zur Berufungsförderung teil. Ich las katholische Zeitschriften wie Satyadeepam, eine Wochenzeitschrift aus meiner Diözese Ernakulam. Dort las und reflektierte ich die Beiträge „Göttliche Berufungen rufen Dich”.

Aus Satyadeepam erhielt ich die Adresse unserer Kongregation. Ich schickte einen Brief an unsere Gemeinschaft in Pithora, gleichzeitig auch an einige Briefe an andere Gemeinschaften. Die erste Antwort, die kam, war von unserer Gemeinschaft. Dann erzählte ich meinen Eltern von meinem Wunsch, Ordensfrau zu werden. Das war eine große Überraschung für sie.

Innerhalb weniger Wochen waren die Reisevorbereitungen abgeschlossen. Schwester M. Lilly und ich verließen zusammen mit unseren Vätern unsere Heimat und kamen in Anjali Niketan, Pithora, an. Unsere Väter kehrten am nächsten Tag nach Kerala zurück. Ich erlebte Gottes Gnade und göttliche Eingebungen, die mich zum Weitergehen bewegten.

Meine ersten Gelübde legte ich am 22. November 1986 ab und meine Ewigen Gelübde am 25. Januar 1992.

Von meiner Ausbildung her bin ich Krankenschwester und habe an verschiedenen Orten auf unseren Krankenstationen gearbeitet.

Im Jahr 2001 kam Schwester Mary Ann Minor zur Visitation nach Indien. Zu dieser Zeit arbeitete ich in Kurkurien. Schwester Mary Ann fragte mich: „Möchtest du nach Haiti gehen und dort als Missionarin arbeiten?“. Sie erzählte mir von Haiti. Ich hatte noch nie von diesem Land gehört. Sie gab mir Zeit, meine Entscheidung zu treffen. Ich habe darüber nachgedacht und meine Entscheidung meiner Regionaloberin mitgeteilt. Ich schenkte den Oberinnen mein „Ja“.

Im Oktober 2001 reiste ich von Raipur aus nach Haiti. Auf meinem Weg besuchte ich unser Mutterhaus in Deutschland, bevor ich nach Haiti aufbrach. Eine unserer Schwestern aus Deutschland schloss sich mir an. Wir reisten beide nach Springfield ins Provinzhaus. Ein Jahr lang hatten wir spezielle Missionskurse. Ich habe von 2002 – 2008 in Haiti gearbeitet. Mir wurde klar, wie arm die Menschen in Haiti sind. Es waren die besten Jahre meines Ordenslebens.

Seit dem Jahr 2009 diene ich in unseren Gemeinschaften in Pithora, Ramgarh und Trivandrum. Zurzeit bin ich im St. Francis -Internat in Nagpur als Leiterin tätig.

Ich danke allen meinen Vorgesetzten und Ausbilderinnen, die mir in vielerlei Hinsicht auf meinem Lebensweg geholfen haben.

Wenn ich zurückblicke, sage ich dem Herrn: „Danke für Deine Begleitung in meinem Leben. Danke, dass Du mit mir gegenwärtig bist und mich bis hierher geführt hast.”

Schwester M. Edelbertis Gevers

Als Ludwine Gevers wurde ich am 22.02.1939 in Vreden-Dömern, Gemeinde Winterswijk, an der holländischen Grenze geboren – als elftes von dreizehn Kindern, zehn Mädchen und drei Jungen. Mit unserer Mutter haben wir eine sehr frohe und abwechslungsreiche Kinderzeit erlebt. An diese Zeit erinnern wir uns immer gerne. Unser Vater war neben der Arbeit in Landwirtschaft und Garten bei der Vredener Post tätig und nebenher noch auch als „Fleischbeschauer“ (Prüfung von geschlachteten Tieren), war abends aber doch immer für uns Kinder da.

Alle Kinder lernten einen Beruf. Vier Geschwister waren bei der Post beschäftigt. Ich habe dann für zwei Jahre eine Ausbildung in einer Großküche in Lüdinghausen gemacht, da mein Vater diese Grundausbildung immer für eine Frau für wichtig hielt. Mein ältester Bruder war in den Jahren 1943 – 1944 Soldat. 1947, im Jahr meiner Erstkommunion, trat meine älteste Schwester Mathilde in den Orden der Franziskanerinnen von Münster St. Mauritz ein, 1960 dann auch meine Schwester Juliane, während 1958 meine Schwester Elfriede bei den Clemensschwestern eingetreten war.

Während meines hauswirtschaftlichen Jahres lernte ich Schwester Acharis, eine Franziskanerin, kennen, die Leiterin der Großküche war. Diese Schwester habe ich sehr geschätzt. Bis dahin war ich noch unsicher, ob ein Leben als Ordensschwester auch für mich das Richtige sein könnte. Durch diese Schwester ist mir klargeworden, dass auch ich zum Ordensleben berufen bin. 1962 habe ich mich für den Eintritt bei den Mauritzer Franziskanerinnen entschieden. Nach der Einführung in dieses Leben legte ich erst die zeitliche und dann 1970 die Ewige Profess ab.

In der Gemeinschaft begann jetzt mein beruflicher Weg. Die Ausbildung in der Krankenpflege habe ich mit dem Examen 1965 abgeschlossen. Ich erkrankte danach schwer und wurde erst ein Jahr später, nach meiner Gesundung, in der Verwaltung des St. Rochus-Hospitals Telgte eingesetzt. Dort waren zwei ältere Schwestern tätig – Schwester M. Blasia und Schwester M. Edmunda – auch eine jüngere – Sr. M. Adelharda. Sie haben mich alle sehr gut begleitet und auch in meiner Genesung verständnisvoll unterstützt. Schrittweise wurde ich wieder gesund. Auch ihr Beispiel für ein Leben in der Ordensgemeinschaft hat mich sehr in meiner Berufung bestärkt. Als ich mit der Arbeit in der Verwaltung begann, beherrschte ich nur etwas das Schreiben auf der Schreibmaschine. Dann erhielt ich eine Einübungszeit und durfte auch einen Kursus in Stenografie belegen. Mit guter Unterstützung habe ich dann das 10-Fingersystem der Schreibmaschine gelernt. Dies war für mich eine große Freude.

Die franziskanische Ordensgemeinschaft hatte als besonderen Auftrag die Krankenpflege gewählt. Aufgrund meiner Erkrankungen habe ich keine Tätigkeit in der Krankenpflege direkt ausgeführt. Dabei habe ich sehr großes Verständnis bei der Ordensleitung, zu dieser Zeit Generaloberin Schwester Odilia, gefunden.

Von 1972 an durfte ich in verschiedenen Krankenhäusern unseres Ordens im Bereich der Pforte und in der Patientenaufnahme tätig sein, darunter Bremen, Lohne und Lingen. Von 1983 bis 1987 war ich unter der Leitung der Provinzoberin Schwester M. Plauta in der Provinz als Sekretärin tätig.

Aufgrund einer schweren Erkrankung konnte ich immer nur für begrenzte Zeiten für Aufgaben eingesetzt werden. Es war für mich nicht so einfach; aber durch gute Begleitung und verständnisvolle Mitschwestern habe ich diese Zeit gut überstehen können. Kleine Zeiten der Aushilfe oder Mithilfe in bestimmten Bereichen habe ich gerne übernommen und konnte auch zu meinen Grenzen stehen.

Von 1991 – 1995 erhielt ich meinen Einsatz in Damme im Pfortenbereich. Ich musste meinen Einsatz dann beenden, da ich schwer an Morbus Hodgkin erkrankte. Das war für mich nicht leicht zu ertragen. Wie gerne hätte ich mich in der mir liebgewordenen Aufgabe weiter eingesetzt. Von der Ordensleitung und von vielen Mitschwestern erhielt ich gute Unterstützung durch Ermutigung und durch das Gebet. Sie haben immer mit mir daran geglaubt, dass ich auch diese Zeit der Erkrankung gut überstehen kann. So kam es dann auch. 

Im Jahr 1997 hatte ich mich von meiner Erkrankung erholt und konnte in der Patientenaufnahme des St. Franziskushospitals Münster eingesetzt werden. Es war für mich eine große Freude, mit Menschen in Kontakt zu stehen und gerade in Tagen der Erkrankung Hilfe anzubieten. Durch meine langen Ausfallzeiten und gesundheitlicheb Grenzen habe ich lernen dürfen, wie es Menschen in solchen Zeiten der Krankheit oder sonstigen Gebrechen geht, wenn sie gerade im Krankenhaus verständnisvoll und wohlwollend empfangen werden.   

Froh und dankbar war ich 2012, dass ich nach 15 Jahren Einsatz an der Pforte des St. Franziskushospitals an der Pforte des Mutterhauses tätig werden durfte. Gerne habe ich mich auch hier für Besucher und Mitschwestern eingesetzt und kleine Aufgaben erledigt. Meine persönliche Zeit konnte ich jetzt auch etwas mehr für Gebet, Spaziergänge, Malen etc. einsetzen. Immer noch habe ich Freude, Naturbilder und andere Motive zu malen. Auch wenn ich mich nicht als große „Künstlerin“ sehe, finde ich auch darin meine Erfüllung und Zufriedenheit.

Inzwischen habe ich erfüllbare Aufgaben im Mutterhauskonvent übernommen und bin Gott dankbar, dass ich meinen Weg in seiner Nachfolge gehen darf. In Zeiten der Stille und des Gebetes denke ich immer wieder, dass ich jetzt die Zeit habe, auch auf diesem letzten Weg meiner Möglichkeiten, an das Ziel zu kommen, das ich mir zu Beginn meines Ordenslebens immer wieder vorgesagt habe. Rainer Maria Rilke vergleicht das Leben mit einem „Baum und dem Leben in wachsenden Ringen“. Ich habe durch die Erkrankungen immer wieder andere „Ringe“ erlebt und hoffe, dass ich auch den letzten noch erleben darf mit Seiner Kraft.

Schwester M. Pauly Chiraparambil

Am 17. Oktober 1961 wurde ich in Mylacomb, einem Dorf im Bezirk Idukki in Kerala als fünftes von acht Kindern – vier Jungen und vier Mädchen – in einer traditionell katholischen christlichen Familie geboren. Als ich drei Monate alt war, zogen wir nach Pooyamkutty, einem Dorf im Landesinneren des Distrikts Ernakulam, Kerala. Mein Vater war Landwirt und meine Mutter Hausfrau. Neben der landwirtschaftlichen Arbeit führte mein Vater einige kleine Geschäfte und hatte einen kleinen Laden, von dem wir lebten.

Meine Eltern waren sehr gottesfürchtig, und sie lehrten uns, in allen Höhen und Tiefen des Lebens vor Gott niederzuknien. Es war für uns selbstverständlich, täglich zur Heiligen Messe zu gehen. Als ich mit meinen Geschwistern aufwuchs, herrschte in der Familie viel Freude und Wärme. Die morgendliche Heilige Messe, die abendlichen Familiengebete, das Leben meiner Eltern und die moralischen Werte, die sie uns lehrten: All das half uns, im Glauben zu wachsen.

Unser Haus lag ganz in der Nähe des Klosters und der Pfarrei. Als Kinder waren wir sehr stark in alle Aktivitäten der Pfarrei eingebunden. Wir waren sehr eng mit den Schwestern verbunden, und ihre Lebensweise hat mich immer angezogen. Als ich die 7. Klasse verließ, gab es in unserer Nähe keine weiterführende Schule. Also wurden meine beiden Schwestern und ich an einen weit entfernten Ort geschickt, um dort in einem Hostel zu wohnen und zu lernen. Die Schwestern, denen das Hostel gehörte, hatten dort ihr Ausbildungshaus. Die jüngeren Schwestern lebten nach ihrer ersten Profess dort. Wenn ich mir ihr Leben ansah, wünschte ich mir immer, Ordensfrau zu werden. Die jungen Schwestern waren weiß gekleidet; für mich waren sie wie Engel. Ihr Leben hat mich sehr inspiriert.

Nach meiner Schulzeit nahm ich an einem Berufungscamp teil, bei dem ich mich entschied, Ordensfrau zu werden. Viele Schwestern kamen und stellten ihre Kongregation vor. Ich trat bei den Augustinerinnen ein, bin aber während der Ausbildungszeit wieder ausgetreten. Nach meiner Rückkehr nach Hause setzte ich mein Studium fort. Dann habe ich einen kleinen Job bekommen und angefangen zu arbeiten.

Obwohl ich sie verließ, ermutigten mich einige der Schwestern immer wieder, Ordensfrau zu werden. Eine Schwester, Sr. Jacobine, machte mich durch ihren Bruder P. Joseph Pullankav, einen Priester der Diözese Raipur, mit unserer Kongregation bekannt. Ich setzte mich mit den Schwestern in Verbindung und erhielt einen Willkommensbrief von Schwester M. Gerburg. Ich kam mit einigen unserer Schwestern am 30. Dezember 1986 nach Pithora.  Während der Zeit der Formation wurde ich von Sr. M. Gerburg und Sr. M. Hedwig angeleitet. Meine erste Profess legte ich am 25. Januar 1991 ab und meine Ewige Profess am 30. Oktober 1999.

Als Juniorschwester habe ich eine Ausbildung in der Krankenpflege absolviert und arbeite bis heute in diesem Bereich.

Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, danke ich Gott für seine wunderbaren Segnungen, die er mir zuteilwerden ließ. In seiner großen Liebe hat er mich nicht nur gerufen, sondern auch in seiner Liebe gehalten. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh. 15,16). Heute schreibe ich diese Worte des heiligen Johannes mit großer Gewissheit. Selbst als ich mich abwandte und von diesem Leben wegging, brachte Gott mich zurück und stellte mich an den Ort, den er wollte. Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückblicke, kommen mir die Worte in den Sinn: „Ich bin bei dir, ich lasse dich nicht im Stich und verlasse dich nicht“ (Jos 1,5). Mein Leben war ein Leben der Treue Gottes mir gegenüber. Mein Gott hat sein Versprechen gehalten. Ich habe ihn so oft enttäuscht. Aber er ist immer bei mir gewesen. Inmitten der Stürme und wütenden Wellen war er in meinem kleinen Boot und hat mir den Weg gezeigt und mir den Mut gegeben, ihn zu gehen. Ich danke meinem Gott, meiner Kongregation, meinen Eltern, meinen Brüdern und Schwestern, Lehrern, geistlichen Begleitern und allen, die mich auf meinem Weg mit Jesus unterstützt haben. Möge der liebe Gott sie alle segnen.

Schwester M. Herbertis Lubek

Die aktuelle politische Situation erinnert mich stark an die Geschichte meiner Familie und meine Prägung durch sie. Ich bin im zweiten Weltkrieg geboren. Mein Vater war an der Front. Meine Mutter wohnte mit meinem sechs Jahre älteren Bruder in Krappitz /Oberschlesien. Meine Großeltern und Tanten mütterlicherseits  wohnten in Oppeln. Dort wurde ich am 29. Oktober 1944 in der Frauenklinik geboren, in der unsere Schwestern tätig waren, und in der Peter Paul Kirche in Oppeln auf den Namen Jutta getauft.

Im Februar 1945 brachte uns mein Onkel zu seinen Verwandten nach Wallisfurth/ Grafschaft Glatz, um unsere Familie, vor allem die Frauen, vor den Übergriffen der einmarschierenden Soldaten der Besatzungsmächte zu schützen. Später waren wir mit anderen geflüchteten Familien im Schloß in Altheide/ Grafschaft Glatz untergebracht, wo sich auch eine Ärztin um uns kümmerte. Meine Großeltern, die ein sogenanntes „Wasserpolnisch“ sprachen, waren eine große Hilfe und ein Schutz für die Frauen, die auch hier nicht mehr sicher waren und sich wiederholt mit ihren Kindern verstecken mussten.

Im Frühjahr 1946 mussten wir den Ort verlassen und wurden in einen Güterzug „verladen“; niemand wusste, ob wir in die „Zwangsarbeit“ oder in die „Freiheit“ fuhren. Im März 1946 kamen wir in einem kleinen Ort in Norddeutschland an, nahe der Nordsee. Die Vertriebenen wurden auf die Dörfer verteilt. Wir hatten das Glück, dass unsere Familie zusammenblieb. Meiner Mutter wurde mit uns Kindern ein Zimmer in einer Familie zugewiesen. Wir hatten es gut; es waren nette Leute. Unsere Familie hielt zusammen, und wir halfen uns gegenseitig. Und wenn ich Vieles auch nur aus dem Erzählen weiß, so hat es mich dennoch stark geprägt: die Sorge umeinander, das Teilen, das Verzichten können, die Zufriedenheit mit dem Wenigen und die Freude über kleine Annehmlichkeiten und Geschenke. Ich habe meine Großeltern so gerne zusammen Beten und Kirchenlieder singen hören. Sie hatten eine so angenehme Alltagsfrömmigkeit, in die ich hineinwachsen konnte. Da wir aus dem vornehmlich katholischen Schlesien in die norddeutsche Diaspora kamen, erlebten wir die Gottesdienste als großes Geschenk, vor allem, wenn heimatliche Lieder und Gebete in den Gottesdiensten Raum fanden. Das hat auch mich sehr berührt.

An die Rückkehr meines Vaters aus der französischen Gefangenschaft kann ich mich nicht erinnern, wohl aber daran, dass unser Wohnraum – wir hatten inzwischen eine Zweizimmerwohnung – für uns zu eng wurde. Mein Vater hatte Arbeit gefunden und wollte uns eine Zukunft in Deutschland aufbauen, während meine Mutter auf eine Rückkehr in die schlesische Heimat hoffte. 1950 konnte sich mein Vater, auch dank der Hilfe meiner Mutter, als Kaufmann in einem Nachbardorf selbständig machen, und mein Bruder und ich wurden in die zu erledigenden Aufgaben mit eingebunden. Das war selbstverständlich für uns.

Der Mittelpunkt unserer Familie blieben unsere Großeltern mütterlicherseits, unsere gütige, verständnisvolle Großmutter und unser etwas knurriger Großvater, beide meine Vorbilder im Gebet und im Glauben. Die Familie meines Vaters wurde durch den Krieg von uns getrennt. Sie lebten hinter dem „eisernen Vorhang“ in der späteren DDR. Trotz der Unterstützung durch regelmäßige Lebensmittelpakete und Briefkontakte blieben sie uns fremd.

Dies ist der Hintergrund, auf dem sich mein Glaubensleben entwickelte: der schlichte, überzeugend gelebte Glaube meiner Großmutter, ihre  aus  dem Herzen kommenden Gebete, das gemeinsame Rosenkranzgebet  meiner  Großeltern und die innig  gesungenen  religiösen Lieder haben mein Herz weit gemacht für Gottes Liebe und Anruf. Meine Großmutter hat es wunderbar verstanden, meine religiösen Wünsche auf ein normales, gesundes Maß zu bringen und meine Sehnsucht nach dem Guten wach zu halten. Auch meine Mutter leitete mich zu einer guten Verbindung von schulischen und beruflichen Verpflichtungen und kirchlichem Einsatz an, obwohl sie nicht viel Zeit für uns hatte. Sie half mir, mit Ungerechtigkeiten im kirchlichen Kontext umzugehen, und mich mehr an Gott als an sein „Bodenpersonal“ zu halten. Das tut mir noch heute gut.

Die Vorbereitung auf die Feier meiner Erstkommunion hat die Liebe zu Gott weiter bestärkt. Je älter ich wurde, desto bewusster habe ich Gottes Wirken in meinem Leben erfahren und mich immer fester an IHN gebunden Der Beginn meines Ordenslebens am 11. Februar 1964 war die dankbare Antwort an Gott, der mich zuerst geliebt und mich in SEINER Liebe bis heute nicht losgelassen hat. So bin ich dankbar für 59 Jahre Leben in unserer Gemeinschaft, für alles Gute und auch für das Schwere, das mich hat reifen lassen in den verschiedenen Diensten in unserer Gemeinschaft, gemeinsam mit den Schwestern, mit denen ich zusammen leben und wirken durfte und für alle, mit denen mich unsere franziskanische Spiritualität und unser Gebetsleben verbindet. Ich danke Gott für meinen Lebensweg, für alles, was ich an Gutem für andere tun durfte, und ich vertraue darauf, dass ER mich weiter führen wird, bis ich IHN einmal von Angesicht zu Angesicht sehen darf und alle meine lieben Wegbegleiter im Himmel wieder treffe.

Mögen wir unser Ziel, Gott zu verherrlichen und zu verkünden, immer in unserem Herzen tragen und in unserem Leben verwirklichen.

Schwester M. Herbertis Lubeck, Mai 2023

Schwester M. DeDeo Sueko Usuzaka

Als achtes von neun Kindern wurde ich im März 1940 in der Präfektur Shimane geboren. Ich habe vier ältere Brüder, drei ältere Schwestern und eine jüngere Schwester.

Der Lehrer fragte mich, ob ich neben meiner Arbeit eine Ausbildung als Krankenschwester absolvieren wolle. Bis dahin hatte ich mir nie vorstellen können, Krankenschwester zu werden, aber ich beschloss, diesen Weg zu gehen. Als ich die Krankenpflegeschule abschloss, hatte ich ein Vorstellungsgespräch und arbeitete schließlich im Krankenhaus des Japanischen Roten Kreuzes in Matsue. Ich erhielt eine Haube mit dem roten Kreuz, und es war wie ein wahr gewordener Traum, meine Karriere als Krankenschwester zu beginnen.

Einige Jahre später lernte ich während meiner Arbeit das Arrangieren von Blumen, das Kochen, das Schneidern im westlichen Stil, das Vorbereiten einer Teezeremonie usw., um mich auf die Hausarbeit vorzubereiten. Außerdem sponn meine Mutter Garn aus Seidenraupen und webte Kimonos. Als ich darum bat, mir jemanden vorzustellen, der mir das japanische Nähen beibringen könnte, half mir eine ältere Krankenschwester der GFS sofort. Sie war Katholikin. Die Kirche befand sich in der Mitte unseres Personalwohnheims (JRCA), in dem wir wohnten, und das Krankenhaus war 500 Meter entfernt. Die Menschen, die sich in der Kirche versammelten, waren die fröhlichsten, offensten und freundlichsten Menschen, die ich je getroffen hatte. Mir wurde empfohlen, den Katechismus zu lernen, und ein Jahr später wurden sechs von uns an Ostern gemeinsam getauft. Ich ließ mich taufen, ohne es meiner Familie zu sagen. Die Freude an der Begegnung mit Gott durch das Erlernen des japanischen Schneiderhandwerks veränderte mich sehr.

In der Kirche lernte ich immer mehr Ordensleute kennen und auch junge Menschen aus der Kongregation.

Ich verspürte eine Sehnsucht nach dem Ordensleben. Man riet mir, mein Krankenpflegestudium fortzusetzen, um besser dienen zu können, und ich beschloss, mich an einer nationalen Krankenpflegeschule zu bewerben und dort zu studieren. Noch vor meinem Abschluss ging ich durch die Vermittlung eines Priesters zu einem Vorstellungsgespräch ins St. Mary’s Hospital in Himeji und erhielt die Zusage, dort arbeiten zu dürfen.

Ich konnte nicht in Ruhe gehen, denn ich verließ meine weit entfernt liegende Heimatstadt, um nach Himeji zu gehen. Meine Eltern waren Buddhisten, also sagte ich ihnen, dass ich mich ein Jahr lang weiterbilden wolle. Ich erzählte meinen Eltern eine schmerzhafte Lüge. Meine Schwestern wussten davon, schwiegen aber, um unsere alten Eltern nicht zu betrüben.

Ich war sehr glücklich, als ich einen liebevollen Brief von Sr. Josepha Yamashita, der damaligen Pflegedirektorin, erhielt, und ich spürte stark den Ruf Gottes. Ich arbeitete als Krankenschwester unter Sr. Benedicta Nakaie und lernte viel.

Im März 1970 trat ich in die Gemeinschaft ein, und am Tag nach meiner Aufnahme als Novizin nahm ich den Hochgeschwindigkeitszug zum Konvent in Tokio. Die Oberin des Klosters, Schwester Marysia aus Polen, Schwester Cecilia Hisamastu, Schwester Teresita Miyake, Schwester Christella Watanabe und Schwester Beatrice Maeda empfingen mich. Das Gelände des Klosters war endlos weit und rundherum mit hohem Gras bewachsen, nur die Lourdes-Grotte war zu sehen. Ich war dankbar für Gottes Vorsehung, denn ich wusste, dass das Nähen und Flicken von Kimonos ein Weg sein würde, die Wunden in den Herzen vieler Menschen zu flicken und zu heilen.

Eines Tages fragte mich unsere Oberin, ob ich eine Ausbildung zur Hebamme machen wolle. Ich sagte ja und bereitete mich auf die Prüfung vor, während ich die Gelübde ablegte. Meine erste Profess legte ich am 17. März 1974 ab.

Ich war zutiefst dankbar für den göttlichen Plan und die göttliche Führung für meine Aufnahme. Nach wenigen Tagen begann ich die Ausbildung in der „Seibo Hebammenakademie“ in Tokio. Die Schule war ein Internat. Das Etagenbett teilte ich mit Schwester Christina Nagata. Wir hatten eine gute Zeit und kehrten von Zeit zu Zeit zum Konvent in Tokyo zurück, um an Seminaren teilzunehmen. Nach meinem Abschluss arbeitete ich auf der Entbindungsstation des St. Mary’s Hospital, wo ich mein Leben als Hebamme bei Schwester Bernardine Shirota begann. Als Katholikin war mein Dienst hier mit Ängsten und Konflikten über die Würde des fötalen Lebens und diesbezüglichen ethischen Fragen verbunden.

Nachdem ich 10 Jahre lang dort tätig gewesen war, wandte ich mich der Seelsorge zu. Ich empfand diesen Dienst als das beste Apostolat für mich: Mit leeren Händen das Krankenbett zu besuchen und zuzuhören. Mit meinem ganzen Wesen zuzuhören….  So kam mir eine Idee. Die nächtliche Rundfunksendung begann mit den Worten: „Ihr alle im Krankenhaus, lasst uns gemeinsam beten, bevor wir zu Bett gehen.“ Der Grund, warum wir dies so lange tun konnten, ist, dass unsere Patienten auf diese Zeit gewartet haben.

Zwei Schwestern waren bereits in Korea und bereiteten sich auf Einsätze vor. Mir wurde gesagt, dass eine dritte Person benötigt würde, da der Bau eines Pflegeheims beginnen sollte, und so wurde ich gebeten, auf eine Mission nach Korea zu gehen. Im Oktober 1996 war ich 56 Jahre alt. Wenn Gott mit mir ist und zwei unserer Schwestern dort ihr Bestes geben, kann auch ich JA sagen, dachte ich. Ich ging nach Seoul, um mit dem Studium der Hangul-Sprache zu beginnen. Unser Pflegeheim, das Haus Franziskus, war erst seit acht Jahren geöffnet, und es wurde gesagt, dass die Einrichtung als beste Einrichtung in Korea bewertet worden ist. Seit seiner Eröffnung war es wegen seiner hohen Qualität ein Anziehungspunkt für Pflegebedürftige und für das Pflegepersonal. Nach und nach besuchten immer mehr Menschen, die eine Pflegeausbildung machen wollten, die Einrichtung. Auf Wunsch des Einrichtungsleiters begann ich, Pflegepädagogik zu unterrichten. Und da ich im Alter von 60 Jahren sogar noch einen Führerschein machen konnte, fuhr ich jeden Monat für 2 Stunden in die franziskanische Lepra-Einrichtung und unterrichtete dort ein halbes Jahr lang in der Pflege. Alles war getragen von der herzlichen Liebe der koreanischen Bevölkerung. Bis März 2008 habe ich dort in 12 Jahren viel gelernt.

Nach meiner Rückkehr aus Korea nahm ich ein Jahr lang ein Sabbatjahr und arbeitete in der katholischen Einrichtung Nibuno-Villa. Im April 2012 wechselte ich dann in den Konvent von Tokio, um in der Francisco Villa zu arbeiten. Ich war beeindruckt von dem ruhigen Erscheinungsbild der Villa auf dem weitläufigen, mit Gras bewachsenen Gelände. Das Schönste an den 12 Jahren die ich hier verbracht habe, war der Umgang mit den Bewohnern. Vor allem konnte ich an der Sterbebegleitung derer teilnehmen, die von hier aus in den Himmel gerufen wurden.

Es war ein großer Segen für mich, einen nach dem anderen in aller Stille verabschieden zu können, mir Zeit zu nehmen und in einer Präsenz Abschied nehmen zu können, die unbeschreiblich ist. Der Herr war mit mir, es war alles getan. Gott sei Dank.

Schwester Annice McClure, OSF

Als fünftes der 15 Kinder von Norman und Anna (Turan) McClure und wurde ich am 2. April 1932 in Green Bay, Wisconsin, geboren. Meine Mutter war zu 100 Prozent slawisch und römisch-katholisch, und mein Vater, der schottisch-irischer Abstammung und Baptist war, konvertierte zum Katholizismus.

Meine Schulabschlüsse machte ich an der St. Patrick Grade School und der St. Joseph Academy in Green Bay. Während der High School arbeitete ich im St. Vincent Hospital, um Geld für mein Schulgeld zu verdienen und um zu herauszufinden, ob ich Krankenschwester werden wollte.

Dadurch, dass ich die katholische Schulen besuchte und von Ordensschwestern unterrichtet wurde, wurde ich Zeugin des Lebensbeispiels der Schwestern, was mich dazu brachte, das Ordensleben in Betracht zu ziehen. Diese Überlegung wurde bestätigt, als ich eines Abends meine jüngeren Geschwister, auf die ich aufpasste, dazu aufforderte, ihr Nachtgebet zu sprechen. In diesem Moment spürte ich, dass Gott mich in den nächsten Abschnitt meines Lebens führen würde.

Nachdem ich die franziskanischen Krankenschwestern im St. Vincent Hospital kennengelernt hatte, trat ich am 2. Februar 1951 in die Kongregation der Krankenschwestern vom Heiligen Franziskus ein und legte am 4. Oktober 1953 meine ersten Gelübde ab. 1957 erwarb ich mein Diplom an der Krankenpflegeschule des St. John’s Hospital (Springfield, Illinois) und zwei Jahre später einen Bachelor-Abschluss in Diätetik am Fontbonne College (St. Louis, Missouri). Außerdem absolvierte ich 1960 ein Praktikum in Diätetik am Saint Mary’s Hospital (Rochester, Minnesota) und erwarb 1978 einen Master-Abschluss in Gemeindekrankenpflege an der University of Illinois in Chicago. Ich bin dankbar für meine Ausbildung, die mir bei meiner Arbeit in der Krankenpflege, der Diätetik, der häuslichen Pflege, der Hospizpflege, der Gemeindearbeit, der Organisationsentwicklung und als Missionarin in Haiti geholfen hat. Seit vielen Jahren engagiere ich mich in Programmen zur Förderung von Frieden und Gerechtigkeit und tue dies auch weiterhin.

Seit 2001 wohne ich in Green Bay, Wisconsin, und arbeite derzeit ehrenamtlich in den Krankenhäusern von Green Bay, dem HSHS St. Vincent Hospital, dem HSHS St. Mary’s Hospital Medical Center, dem HSHS St. Nicholas Hospital (Sheboygan, Wisconsin) und dem HSHS St. Clare Memorial Hospital (Oconto Falls, Wisconsin). Ich freue mich zu sehen, wie unsere Kolleginnen und Kollegen unser Charisma in ihrer Fürsorge für Patienten, Familien und untereinander fortsetzen. Die Zukunft unseres Gesundheitsdienstes ist in guten Händen.

Seit Juli 2024 an wohne ich bei den Schwestern im St. Francis Konvent in Springfield, Illinois.

Schwester M. Respicia Heitkamp

Geschichte von Schwester M. Respicia Heidkamp, erzählt im Interwiew anlässlich ihres 75. Professjubiläums im 100. Jahr ihres Lebens:

„Dass kaum jemand weiß, was ein Kronjuwelenjubiläum bedeutet, hat seinen Grund: Fast niemand erreicht es. Es setzt 75 Jahre tiefe Verbundenheit voraus. So wie bei Schwester M. Respicia. Die Mauritzer Franziskanerin hat alles erlebt – strenge Regeln, Heimweh, Krieg. Und noch viel mehr dies: einen Glauben, den nichts erschüttert.

Tage wie diese. Sie müssten erfunden werden, wenn es sie nicht gäbe. Zunächst der Sonntag. Schwester M. Respicia hat die Prozession der 44 Jubilarinnen der Mauritzer Franziskanerinnen angeführt. An der Seite der Provinzoberin schritt die 99-Jährige kaum merklich auf ihren Rollator gestützt durch den Mittelgang in die Klosterkirche. „Es war so erfüllend“, sagt sie. Ein Tag im Hier und Jetzt und gleichzeitig auf einer langen Zeitreise. Erinnerungen strahlten wie Blitzlichter auf. Die Kindheit in Osterfeine. Ihre Mutter im Gipsbett. Bombennächte in Cloppenburg. Mörtel von Steinen im fast zerstörten Mutterhaus klopfen und gleichzeitig für die Krankenpflege-Prüfung lernen. Stationen in Marl, in Seppenrade. Und immer wieder er, Gott, bei dem sie sich aufgehoben fühlt wie nirgends sonst.

„Das Leben ist wie ein Film an mir vorbeigezogen“, sagt sie. Schwester M. Respicia (das M. steht bei allen Ordensfrauen für Maria) hat drei Tage nach dem Jubiläum am Tisch eines Wohnzimmers des Altenheims der Mauritzer Franziskanerinnen Platz genommen. Das Fest ist noch nicht vorbei. In zwei Stunden erwartet sie Besuch von ihrer Nichte aus München. Einen Tag später kommen alle anderen Nichten und Neffen ihrer Familie, um mit einer Frau zu feiern, die in ihrem Leben viele Menschen beeindruckt hat. Christiane Schlemmer kennt sie seit mehr als 20 Jahren. „Ich bin nie einem anderen Menschen begegnet, der so positiv denkt wie Schwester Respicia. Keinem, der nie aufgehört hat, sich zu bilden und weiter zu gehen“, sagt die sogenannte Betreuungskraft. 99 außerordentliche Jahre.

Sie beginnen für Maria Heidkamp in Osterfeine. Ihr Vater ist Dachdecker, die Mutter kümmert sich um Kinder, Haushalt und kleine Landwirtschaft. Sie ist liebevoll – und schwer krank. Ein halbes Jahr lang muss sie im Gipsbett liegen. Maria unterbricht die Schule und übernimmt die Aufgaben der Mutter. Sie hat fünf Geschwister, der jüngste Bruder ist zwei Jahre und sie selbst 13 Jahre alt. „Ich habe das nicht als Belastung empfunden. Es hat mir Freude gemacht“, sagt sie. Seine Zukunft malt sich das junge Mädchen mit einer großen Familie aus. Viele Kinder, am besten gleich ein Dutzend – das ist es, wovon sie träumt.

Vier Jahre später schiebt sich immer hartnäckiger ein anderes Bild vor ihren Zukunftstraum. Ein Leben in einer Ordensgemeinschaft, ein Leben mit Gott, für Gott. „Der Gedanke kam zunächst zwischendurch und dann immer häufiger“, erzählt sie. Und schließlich verdrängt er den anderen. Sprechen kann sie mit niemandem darüber, erst recht nicht mit der Mutter, die sie braucht und die sie nicht enttäuschen will. Die Sehnsucht jedoch nach einem Leben im Kloster ist größer.

Maria Heidkamp kommt der Entscheidung auf der Suche nach dem Orden, der zu ihr passt, näher. Sie ist Auszubildende in der Küche eines Krankenhauses der Franziskanerinnen in Cloppenburg. Die Bombennächte sind kurz und erfüllt von Angst. Die Patienten liegen Bett an Bett geschoben im Keller. Maria Heidkamp teilt einen winzigen Kellerraum mit den anderen Auszubildenden. Die einen liegen auf Matratzen auf dem Tisch, der das Zimmer fast vollständig ausfüllt, die anderen darunter.

Die Entscheidung ist getroffen. Maria Heidkamp ist Novizin der Mauritzer Franziskanerinnen und legt 1948 ihre Profess ab. Anfangs schläft sie mit 68 anderen Frauen in einem Saal, später – nach dem Wiederaufbau des Mutterhauses – teilt sie ein Zimmer mit zwei anderen Ordensmitgliedern. Sie heißt nun Schwester M. Respicia, ist glücklich, doch das Heimweh zerrt an ihr. Die Regeln sind streng: „Ich durfte mein Elternhaus nie wieder betreten.“ 1949 unternimmt sie ihren ersten Urlaub. Ihr Ziel ist das Erholungsheim des Ordens in Kroge. „In Osnabrück gab es eine Durchsage im Zug. Ich sollte herauskommen“, erzählt sie und lächelt in der Erinnerung an ihren zwei Jahre älteren Bruder, der auf dem Bahnsteig stand, verschwörerisch lachte und sie zu einem Auto führte. „Ich fahre dich“, sagt er. Kurze Zeit später hält er unerwartet vor ihrem Elternhaus. Schwester M. Respicia ist glücklich – und verzweifelt. Es ist ihr doch verboten, das Haus zu betreten. Die Familie findet eine Lösung. Die junge Frau bleibt im Auto, kurbelt das Fenster herunter und saugt die Gespräche und den Anblick ihrer Familie in sich auf. Doch erst nach dem Tod ihrer Mutter endet das Heimweh.
Die Regeln lockern sich. Familienbesuche werden möglich, das Ordenskleid und der Schleier bequemer. Anfangs ist er weiß, bedeckt Stirn und straff gespannt Teile der Wangen. Der Orden diskutiert, die Meinungen sind gespalten, die Mehrheit jedoch begrüßt den Wechsel zum ins Haar gezogenen Schleier.

Schwester M. Respicia arbeitet lange und gern. Mit 90 Jahren tritt sie in den Ruhestand – nach Jahrzehnten, in denen sie Einrichtungen des Ordens als Krankenpflegerin, Erzieherin und Betreuerin in einem Erholungshaus der Mauritzer Franziskanerinnen zur Verfügung stand. „Ich kann gar nicht dankbar genug sein“, sagt sie. „Ich lebe gern und genieße die Natur. Und ich freue mich, wenn ich das Leben abbreche und ganz bei Gott bin.““

Schwester M. Faustiniana Baron

Schwester M. Faustiniana Baron erzählt die Geschichte ihrer Familie, die in mehreren Generationen von Gott mit reichen Ordensberufungen gesegnet war, und die ihrer eigenen Berufung.

„Die erste aus unserer Familie Baron, die den Weg in die Kongregation der Krankenschwestern des hl. Franziskus gewählt hat, war die Schwester meiner Mutter, Maria Kula, die am Tag ihrer Einkleidung, den 28. Oktober 1913 in Münster den Namen Schwester Wilborada erhielt und für viele Jahre den Kranken im Krankenhaus in Oppeln diente. Sie starb am 26. März 1945 in Proskau bei Oppeln.

In die Fußstapfen der Tante trat auch meine Cousine, Schwester M. Gismunda Langner, die auch in unsere Kongregation eingetreten ist und als Ordens- und Krankenschwester viele Jahre in dem Hospital Odrau in Tschechien diente, bis die kommunistische Regierung unsere Schwester aus diesem Krankenhaus im Jahre 1964 ausgewiesen hat. Schwester M. Gismunda starb in Ullersdorf.

Meine Eltern: Zuzanna Kula und Teodor Baron hatten in ihren Herzen den Wunsch nach Ordensleben gehegt, aber Gottes Wille war anders. Meine Mutter wollte immer wieder nach Münster fahren, um in die Kongregation einzutreten, in der ihre Schwester, Schw. Wilborada, schon seit einigen Jahren lebte und diente. Sie wollte mit einer Freundin aus der Kirchengemeinde nach Münster gehen, die eingetreten ist und später den Namen Schwester M. Adalgis bekommen hat. Eine ernsthafte Erkrankung meiner Mutter hat den Eintritt verhindert, und so ist sie zu Hause geblieben. Im Herzen hat sie immer den Wunsch gehegt, dass, wenn sie heiraten und Mädchen haben sollte, diese vielleicht Ordensschwestern werden könnten, wenn es Gottes Wille ist.

Auch in der Familie meines Vaters herrschte der franziskanische Geist. Sein Bruder Franziskus ist am 28. August 1919 Minderbruder geworden und hat den Namen Bruder Joachim angenommen. Nach den Studien wurde er am 3. Februar 1924 im Kloster auf dem St. Annaberg zum Priester geweiht. Aufgrund einer schweren Krankheit ist er in einem sehr jungen Alter am 10. September 1924 gestorben. Mein Vater Teodor wollte nach dem Tode seines Bruders in den Orden der Franziskaner auf dem St. Annaberg eintreten, aber einmal war der Vater Guardian nicht da, und das zweite Mal hatte der Guardian keine Zeit für den Kandidaten Theodor.

Und so kam es, dass Zusanna Kula und Theodor Baron sich kennengelernt haben, sich ineinander verliebten und am 12. Juli 1925 in der St. Joseph Pfarrkirche in Wengern heirateten. Sie lebten sehr fromm und fröhlich. Sie hatten zahlreiche Kinder. Ihnen wurden sieben Töchter und ein Sohn geboren. Meine älteste Schwester starb im achten Lebensmonat. Meine Mutter erkrankte schwer und starb im 46. Lebensjahr. Die Sorge um uns Kinder im Alter von 3-15 Jahren blieb bei unserem Vater und unserer Tante Rosalie Kula.

Von meinen Geschwistern trat erst meine älteste Schwester Gertrude in die Kongregation der Krankenschwestern des hl. Franziskus in Ullersdorf ein. Sie erhielt am 20. August 1949 den Ordensnamen ihrer verstorbenen Tante – Schw. M. Wilborada. Nach einer schweren Krankheit starb sie am 18. August 1950 in Ullersdorf.

Als ich zur Beerdigung meiner Schwester nach Ullersdorf fuhr, spürte ich dort ein großes Verlangen nach dem Ordensleben. Weltliche jugendliche Unterhaltungen haben mich wirklich nicht interessiert. Ich wollte Gott und den Menschen bei den Franziskanerinnen dienen. Mit 19 Jahren trat ich im Jahre 1954 in die Kongregation der Franziskanerinnen in Ullersdorf ein. Bei der Einkleidung erhielt ich den Namen Schwester M. Faustiniana. Ich bin keine examinierte Krankenschwester, aber ich habe Gott und den Menschen durch Gebet und vor allem durch Büroarbeiten gedient. Jetzt bin ich im Ruhestand. Ich habe genug Zeit, um bei Gott zu verweilen und im Refektorium des Provinzhauses zu dienen und zu helfen.

Nach zwei Jahren rief Gott im Jahr 1956 meine Zwillingsschwester Matilda in unsere Kongregation. Sie hat wieder den Namen Schwester M. Wilborada erhalten. Sie war eine examinierte Krankenschwester und diente Gott und den Kranken viele Jahre lang mit großer Liebe und Hingabe. Sie durfte noch ihr Goldenes Jubiläum erleben. Sie starb im Jahre 2008.

Gott, der Herr hat unsere Familie in besonderer Weise ausgewählt. An uns, den Kindern erfüllte sich der Wunsch unserer Eltern. Im Jahre 1958 trat ihre vierte Tochter, meine Schwester Anna, in die Kongregation der Franziskanerinnen in Ullersdorf ein. Ihre Ordensname ist Schwester M. Taurina. Sie absolvierte die Krankenpflegeschule und hat als Krankenschwester gearbeitet. So diente sie zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen in den verschiedenen Institutionen, auf verschiedenen Posten, je nach den Bedürfnissen der Polnischen Provinz.

Zu den Berufenen aus einer Familie sollten wir noch zwei Frauen zuzählen: Die erste Frau ist meine Cousine Teresa Stelmach, die im Jahre 1959 in die Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus in Trebnitz eingetreten ist und dort den Namen Schwester M. Beata erhielt. Die zweite Frau aus unserem Familienkreis ist unsere Nichte Rose Baron, die im Jahr 1980 in die Gemeinschaft der Schwestern Unserer Lieben Frau in Oppeln eintrat und als Schwester M. Judyta Gott und den Menschen als Katechetin und Organistin dient.“

Im Rückblick auf die Ordensberufungen in ihrer Familie und im Rückblick auf ihren eigenen Ordensweg dankt Schwester M. Faustiniana Gott für die so zahlreichen Gaben und Gnaden der Berufungen.