
Pilgerinnen der Hoffnung (1): Versöhnung
Die Reihe „Pilgerinnen der Hoffnung“ ist ein monatlich erscheinender geistlicher Beitrag zum Heiligen Jahr – eine Kooperation des internationalen Generalats der Mauritzer Franziskanerinnen und der Kirchenzeitung „Kirche und Leben“. Unser Thema im Januar: Versöhnung.
31.01.2025. Im Heiligen Jahr 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal – ein Krieg, der von Deutschland ausging und unfassbares Leid in die Welt brachte. In diesem Jahr gedenken wir unter anderem der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 und des Abwurfs der amerikanischen Atombomben auf Japan am 6. und 9. August 1945.
In Auschwitz wurden insgesamt mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet, etwa eine Million von ihnen waren Juden. Allein in Hiroshima starben vor 80 Jahren etwa 80.000 Menschen unmittelbar nach der Bombenexplosion, in Nagasaki waren es 22.000. Den langfristigen Folgen der Strahlung erlagen in Japan in den folgenden Monaten mehr als 200.000 Zivilisten.
Und während wir noch immer versuchen, die Folgen dieses schon Jahrzehnte zurückliegenden Krieges zu verarbeiten, fordern die aktuellen Kriege auf dieser Welt täglich neue Opfer, erzeugen neuen Hass und lassen vielerorts den Ruf nach Vergeltung laut werden.
Wie können wir in diesem globalen Irrsinn die Hoffnung auf Versöhnung wachhalten?
Dazu möchten wir Ihnen zwei Beispiele aus unserer internationalen Ordensgemeinschaft erzählen.
In Mutterhaus unserer Deutschen Provinz in Münster lebt Schwester M. Jacintha Altenburg, die 1939 in einem kleinen katholischen Dorf in Friesland in den Niederlanden geboren wurde und ihre ersten Lebensjahre unter deutscher Besatzung erlebte. „Unsere Eltern versuchten natürlich, uns Kinder zu schützen“, erzählt Schwester Jacintha. So wusste sie damals nicht, dass ihr Vater eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die Deutschen spielte. Er überlebte, aber ein Onkel von Schwester Jacintha gehörte zu den vielen Opfern der Besatzungszeit: Er wurde von den Deutschen erschossen.
Trotzdem und gegen den Willen einiger Familienmitglieder entschloss sich die Niederländerin nach dem Krieg, in unsere Ordensgemeinschaft einzutreten, die ja aus Deutschland kam, dem Land der verhassten Besatzer. Zuerst arbeitete sie als Krankenschwester in den Niederlanden, dann baute sie das von unseren Schwestern gegründete Krankenhaus in Kamp-Lintfort mit auf.
Und als wir 2007 einen Konvent am ehemaligen Konzentrationslager in Esterwegen gründeten, um als Orden an der Gestaltung der Gedenkstätte mitzuwirken, gehörte Schwester Jacintha zu den ersten Schwestern vor Ort.



Unter den Menschen, die in Esterwegen interniert, gequält und getötet wurden, waren auch viele Widerstandskämpfer aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich; ihnen und ihren Familien half Schwester Jacintha, das Unfassbare zu verarbeiten, und kam dabei selbst immer wieder an ihre Grenzen. „Dass ich jetzt auch noch an einem Ort der Täter lebte, haben einige zu Hause nicht verstanden. Einer meiner Brüder hat nicht mehr mit mir gesprochen – bis er auf dem Sterbebett lag.“
Auch auf der Gründung der japanischen Niederlassung unserer Gemeinschaft lag der Schatten des Zweiten Weltkriegs. Denn es waren gerade zwei Mauritzer Franziskanerinnen aus der Amerikanischen Provinz, die 1948 in Nagasaki ankamen und dort das 1922 gegründete St.-Francis-Hospital übernahmen, das durch den Atombombenabwurf ihrer Landsleute zerstört worden war. Bereits 1951 traten die ersten japanischen Schwestern als Novizinnen in unsere Ordensgemeinschaft ein. Noch heute leben im Mutterhaus der Japanischen Provinz in Himeji drei hochbetagte Schwestern aus Nagasaki, die den Bombenabwurf selbst erlebt und überlebt haben. So auch Schwester M. Veronica, Jahrgang 1932.

Wenn man sie heute fragt, ob sie denn nicht Hass auf die Amerikaner verspürt habe, verneint sie. Und sie erklärt, genauso wie Schwester Jacintha im weit entfernten Deutschland:
Wenn wir es nicht schaffen mit der Versöhnung, wer dann?
Dies also haben wir aus den beeindruckenden Lebensgeschichten der internationalen Mitschwestern gelernt: So viele Kriege auch zwischen den Ländern und Nationen geführt werden – zwischen uns Menschen gibt es immer Hoffnung auf Versöhnung. Hier und jetzt, morgen und überall, für jede und jeden von uns. Wenn wir damit anfangen.
Von Schwester M. Margarete Ulager und Claudia Berghorn
Dieser Artikel wurde im Januar 2025 zuerst online in „Kirche+Leben“ veröffentlicht, dann in der Printversion – zur Großen Freude auch von Schwester M. Jacintha!

