Pilgerinnen der Hoffnung (9): Zukunft

Die Reihe „Pilgerinnen der Hoffnung“ ist ein monatlich erscheinender geistlicher Beitrag zum Heiligen Jahr – eine Kooperation des internationalen Generalats der Mauritzer Franziskanerinnen und der Kirchenzeitung „Kirche und Leben“. Unser Thema im Oktober: Zukunft

Dieser Artikel wurde im Oktober 2025 in „Kirche+Leben“ veröffentlicht.

25.10.2025. „Die Zukunft des Denkens“: So lautete kürzlich das Titelthema der Wochenzeitung die „Zeit“. Darin ein großes Interview mit dem amerikanischen Wissenschaftler, Erfinder und Unternehmer Ray Kurzweil (77), der schon als Kind von Technik fasziniert war und zur Entwicklung künstlicher Intelligenz beiträgt, seit er 1960 als 12-jähriger in New York den ersten Computer zu Gesicht bekam. Kurzweil ist davon überzeugt, dass die KI bereits in vier Jahren, 2029, intelligenter sein wird als der Mensch. Dann werde es auch möglich sein, den Menschen durch Implantate im Gehirn dieses Wissen jederzeit zur Verfügung zu stellen. „Mit der KI zu verschmelzen, ist der einzige Weg, nicht von ihr dominiert zu werden“, sagt Kurzweil, ohne diese Entwicklung ethisch zu bewerten. 

Was ist möglich – und was ist richtig? Dürfen wir alles tun, was möglich ist? Diese Fragen beschäftigen uns Menschen immer wieder, nicht nur mit Blick auf Wissenschaft und Technik, sondern auch mit Blick auf unseren persönlichen Lebensweg. Das war schon im 13. Jahrhundert so. Damals hätte der Namenspatron unserer Ordensgemeinschaft, Franziskus von Assisi, Sohn eines reichen Kaufmanns, die Möglichkeit gehabt, ein Leben in Luxus und Bequemlichkeit zu führen. Doch nach persönlichen, gesundheitlichen und spirituellen Krisen entschied er sich im Alter von 25 Jahren für den unbequemen Weg, der für ihn richtig und wichtig war: Inspiriert vom Evangelium, verschenkte er seinen weltlichen Besitz, um Gott und den Menschen zu dienen. Dabei ahnte er nicht, wie stark seine Entscheidung die Zukunft beeinflussen würde: Viele Menschen schlossen sich ihm an, und die franziskanischen Ordensgemeinschaften und Laien feiern bis heute am Franziskustag Anfang Oktober sein Leben und Wirken.

Unterricht der Kandidatinnen in Indien. | Foto: © Mauritzer Franziskanerinnen

Die Zukunft vorherzusagen, ist trotz KI noch immer unmöglich. Wir können uns nur so gut es geht auf die Anforderungen einstellen, die sich durch die neuen Entwicklungen abzeichnen. Und wir können Position beziehen, wenn es um die christlich-franziskanischen Werte geht, die uns wichtig sind und nach denen wir auch zukünftig unser Leben und Wirken ausrichten wollen: Die Menschen eben nicht zu reduzieren auf ihr Denken und ihre Leistung, sondern jede und jeden als einzigartiges und wertvolles Geschöpf Gottes zu begreifen – ganzheitlich, mit Körper, Seele und Geist. 

Seit der Gründung unserer Gemeinschaft 1844 prägt dieses ganzheitliche Denken unseren Einsatz für die Menschen in Krankheit, Alter und Not. Er prägt aber auch die Art und den Inhalt der Ausbildung, mit denen wir die jungen Mitglieder unseres internationalen Ordens auf ihre Zukunft vorbereiten.

Natürlich erhalten die jungen Frauen in Polen, Japan und Indien fundierte Berufsausbildungen, um zum Beispiel als Gesundheits- und Krankenpflegerin, Ärztin, Lehrerin, Sozialarbeiterin, Pastoralreferentin, Wirtschaftsprüferin, Juristin oder Theologin und beizeiten in der Leitung unserer Gemeinschaft tätig werden zu können. Auf dem Lehrplan aller jungen Schwestern steht auch Englisch als gemeinsame Sprache unserer Kongregation sowie die besonderen Traditionen und Bräuche der jeweiligen Kultur, seien es besondere Tänze oder die Teezeremonie.

Doch parallel schulen und fördern wir die intensive Glaubens- und Herzensbildung unserer Schwestern, die sie dazu befähigt, Zeugnis abzulegen durch ihren Dienst an Gott und den Menschen und ein Leben in unserer Gemeinschaft zu führen: Ein menschliches Leben in all seinen Facetten, in dem zukünftig sicher auch die KI einen Platz haben wird – auf dem Lehrplan und hoffentlich durch medizinischen Fortschritt, den unsere Schwestern zum Wohle ihrer Patienten einsetzen können.

Zurück zu Ray Kurzweil. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er manches für zwingend hält, wenn er sagt: „Die Weiterentwicklung der KI ist ein weltweiter Wettbewerb, wenn wir da nicht mitmachen, machen es andere Länder.“ Vielleicht sollten wir Christen uns mit Blick auf die Zukunft die Freiheit nehmen, einen parallelen Wettbewerb starten: einen Wettbewerb der Menschlichkeit. Denn wenn wir das nicht vormachen, wer dann?           

Begegnungsfest der Kulturen beim Generalkapitel 2024 Foto© Kestin

Schwester M. Rita Edakkoottathil, Claudia Berghorn

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