
Pilgerinnen der Hoffnung (6): Verständnis
Die Reihe „Pilgerinnen der Hoffnung“ ist ein monatlich erscheinender geistlicher Beitrag zum Heiligen Jahr – eine Kooperation des internationalen Generalats der Mauritzer Franziskanerinnen und der Kirchenzeitung „Kirche und Leben“. Unser Thema im Juni: Verständnis.
Dieser Artikel wurde im Juni 2025 in „Kirche+Leben“ veröffentlicht.
29.06.2025. Kürzlich haben wir an Pfingsten die Geburtsstunde der Kirche gefeiert. Der Text des Evangeliums fasziniert jedes Jahr aufs Neue: Voller Furcht hatten sich die Jünger versammelt und versteckt. Dann kam der Hl. Geist wie mit Feuerzungen auf sie herab, ermutigte und inspirierte sie. Die Jünger begannen zu predigen, und das Wunder geschah: „Jeder hörte sie in seiner Sprache reden.“
Dieser Hinweis macht deutlich, dass die Sprache schon immer eine große Bedeutung für die Verkündigung der frohen Botschaft hatte, zuerst im Vielvölkerstaat Israel, der damals zum römischen Weltreich gehörte.
Franziskus von Assisi, unser Namenspatron, und die Brüder seiner Gemeinschaft hätten sich wohl auch manchmal ein solches Pfingstwunder gewünscht. Sie waren erfüllt davon, die Botschaft Jesu in der Welt zu verbreiten und Zeugnis zu geben durch ihr einfaches Leben nach dem Evangelium, im Dienst Gottes und der Menschen. Noch zu Lebzeiten des Heiligen brachen sie von Assisi aus in die ganze Welt auf, meist zu zweit oder in kleinen Gruppen. Aber ihr Glaube und ihr Mut waren deutlich größer als ihre Weltkenntnis, so dass einige Missionsreisen scheiterten.

So auch 1219, als etwa 60 Brüder über die Alpen ins heutige Deutschland zogen, ohne die dortige Sprache zu sprechen. Ob sie Unterkunft und Nahrung bräuchten, fragte man sie. Sie versuchten es mit „Ja“ und wurden freundlich aufgenommen. Die Brüder beschlossen, nunmehr jede Frage mit „Ja“ zu beantworten. Ob sie Ketzer seien? „Ja!“ antworten sie und waren erstaunt, dass sie mit Schimpf und Schande davongejagt wurden. Eine misslungene, aber lehrreiche Begegnung. Als die Brüder zwei Jahre später wieder über die Alpen zogen, war ihre Mission dank sorgfältiger Vorbereitung und besserer Sprachkenntnisse erfolgreich: Mit der Niederlassung in Augsburg 1221 begann die Geschichte der Franziskaner in Deutschland.
Auch für uns Mauritzer Franziskanerinnen hatte die Sprache schon immer eine große Bedeutung. So war es schon 1875, als 20 unserer jungen Ordensfrauen nach Amerika gingen – ausgebildete Krankenschwestern ohne Englischkenntnisse, die sich anfangs hauptsächlich um die Versorgung deutscher Einwanderer kümmerten. Nach kurzer Zeit empfanden sie die Sprachbarriere als so hinderlich für ihren Dienst, dass sie zusammen mit Grundschulkindern die Schulbank drückten und Englisch lernten. Die neue Sprachkompetenz half ihnen dabei, die Amerikanische Provinz aufzubauen, Krankenhäuser zu gründen und die erste katholische Krankenpflegeschule der USA. Sie half natürlich auch bei der Verkündigung ihres Glaubens. Auch bei weiteren Missionen in Europa, Ostasien, Afrika und Indien stellte sich für unsere Schwestern die Aufgabe der Verständigung immer wieder neu.

Heute leben weltweit 500 Mauritzer Franziskanerinnen in unserer internationalen Ordensgemeinschaft. Die Vielfalt der Nationen, Sprachen und Kulturen ist ein großer Schatz und eine große Aufgabe. Als gemeinsame Sprache, die uns verbindet, haben wir Englisch gewählt – für die meisten unserer Schwestern eine Fremdsprache! So auch für unsere polnische Mitschwester Sr. M. Teresa Wawrovicz. „In der Schule habe ich mich eher für die mathematischen Fächer interessiert“, sagt die 36-jährige. Sie studierte Finanzmanagement und Rechnungswesen und arbeitete seit 2019 als Provinzökonomin in der Polnischen Provinz, bevor sie im September 2024 auf dem Generalkapitel in Münster zur Generalrätin gewählt wurde. Sofort war ihr klar, dass sie für ihre neuen Aufgaben in der internationalen Ordensleitung ihre Sprachkenntnisse verbessern musste. Seit Jahresanfang lebt sie in Dublin, um dort für ein halbes Jahr Englisch zu lernen. Sobald sie wieder in Münster ist, steht Deutsch auf dem Programm.



Beim Sprachenlernen geht es für uns nicht nur um reines inhaltliches Verstehen, sondern um interkulturelles Verständnis. Eine wichtige Zukunftskompetenz, die wir im Ausbildungsprogramm für die jungen Schwestern unserer Gemeinschaft verankert haben. So lernen inzwischen auch Sr. M. Katarzyna und Sr. M. Dominka, zwei weitere Schwestern aus der Polnischen Provinz, Englisch in Irland; als Europäerinnen brauchen sie dort kein Visum.
Schwierig war es, Jahresvisa für drei junge vietnamesische Schwestern aus unserer Japanischen Provinz zu erhalten. Aktuell leben Sr. M. Hilary Nguyen, Sr. M. Josepha Bui und Sr. M Angela Hoang bei uns im Mutterhaus. Ein halbes Jahr lang werden sie in Münster Deutsch lernen, danach soll es zum Englischlernen nach Malta gehen. Ihre erste Fremdsprache beim Eintritt in unsere Ordensgemeinschaft war übrigens Japanisch. Bei ihrer weiten Reise nach Deutschland wurden die drei Schwestern von Schwester Maria Fidelis Furukawa, Provinzoberin der Japanischen Provinz, und der japanischen Provinzrätin Schwester M. Vianney Kawaguchi begleitet.



Die verbindende Sprache unserer Gemeinschaft ist nicht nur im persönlichen Kontakt wichtig, sondern auch für unser Glaubensleben. „Zuerst habe ich die Gebete und die Liturgie auf Englisch gelernt“, berichtet Schwester Teresa. Denn Ordensleben ist Beziehung – Beziehung zu Gott, zu den Mitschwestern und zu allen Menschen, denen wir begegnen. Dabei fördert die interkulturelle Kompetenz unsere Toleranz und unser Verständnis, wo auch immer wir sind und was auch immer wir tun.
Von Schwester Rita Edakkoottathil und Claudia Berghorn
Fotos: Michael Kestin